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Burg Lindenfels (Schlierburg)
Stadt Lindenfels, Kreis Bergstraße, Hessen
Stadtansicht anno 1820: Stahlstich von Christian und Friedrich Haldewang, gemalt von Johann H. Schilbach
Information aus Burgen des Deutschen Mittelalters [1]
Die Burg am Rande der Stadt hatte wohl einen Vorgängerbau aus dem 11. Jahrhundert, im 12. Jahrhundert wurde sie neu erbaut, vermutlich durch Konrad von Hohenstaufen. Der Bergfried und die Fundamente der Ringmauer sind aus dieser Zeit. 1275 - 1350 wurde die Ringmauer erneuert. Im 18. Jahrhundert ist die Burg verfallen. Der polygonal-ovale Grundriss mit freistehendem Bergfried lässt staufischen Ursprung vermuten. Die Ringmauer von 2 m geht in die Schildmauer bis 3,5 m Stärke über, bis zum Wehrgang war die Mauer am Hof 7.5 m hoch. Der Bergfried hat 9,5 m Durchmesser mit 2,5 m Wandstärke.
Grundriss in: Kunstdenkmäler v. Hessen, Bensheim, S. 407; Hotz Z 5; Antonow, SWD, S. 213
[1] Friedrich-Wilhelm Krahe - Burgen des Deutschen Mittelalters. Grundriss-Lexikon. Seite 379.
Weitere Informationen zur Burg
Von einer Tafel an der Burg
Lindenfels entstand als Siedlung um die Burg Lindenfels. Die Burg wurde gegründet durch Graf „Berthold den Jüngeren“, Vogt des Reichsklosters Lorsch, der zwischen 1123 und 1130 als „Graf von Lindenfels“ in vielen Urkunden genannt wird. Die als Ruine erhaltene polygonale Kernburg ist die um das Jahr 1123 erbaute Burg des Grafen Berthold und keineswegs (wie lange Zeit behauptet) ein jüngerer Neubau. Lindenfels ist somit die älteste in weiten Teilen erhaltene Burg des Odenwaldes und der Umgebung.
Zuvor hatte an gleicher Stelle eine „Schlierburg“ genannte noch ältere Burg existiert, die Abt Winither von Lorsch vor 1088 an den Großvater des Erbauers der Burg Lindenfels verschenkte. Graf Berthold von Lindenfels wurde bereits 1130 in einer Fehde aus dem Odenwald vertrieben, die Burg kam nacheinander in die Hände seiner Nachfolger im Amt des Lorscher Vogtes, nämlich der Grafen von Henneberg, Pfalzgraf Konrads von Hohenstaufen, Pfalzgraf Heinrichs - und schließlich der Markgrafen von Baden. Von den Markgrafen konnte Pfalzgraf Ludwig II. Lindenfels mit Zubehör im Jahre 1277 erwerben, das von da an ununterbrochen bis zu deren Auflösung zur Kurpfalz gehören sollte. Im 14 Jahrhundert entstand vor den Toren der Burg die Stadt Lindenfels. Älteres Zubehör der Burg waren zwei Herrenhöfe mit Mühle in der Talsiedlung Schlierbach. Über die konkreten Bewohner der Burg und deren Lebensweise sind aus dem 12 und 13. Jahrhundert keine Details bekannt. Bis ins 16. Jahrhundert wurde sie immer wieder als (Neben)wohnsitz der Heidelberger Kurfürsten genutzt, auch waren mehrfach prominente Gefangene in ihren Mauern untergebracht. Mit zunehmendem Ausbau Heidelbergs als kurfürstliche Residenz setzte seit dem 16. Jahrhundert jedoch die Vernachlässigung der Burg Lindenfels ein, bereits zu Anfang des Dreißigjährigen Krieges befand sich ihr Baubestand in schlechtem Zustand. Nach dem Ubergang zum 18. Jahrhundert konnte die Bausubstanz kaum noch instand gehalten werden, so dass der ab 1781 erfolgte planmäßige Abbruch der Burg, der mehr als Ausschlachtung der Bausubstanz einer Ruine zu verstehen ist, denn als barbarische Zerstörung eines wohlerhaltenen Baudenkmales. Dennoch blieben die hierfür verantwortlichen kurpfälzischen Beamten mit dem Sprichwort „Morlock, Mack und Ferber - Burg Lindenfels' Verderber“ bis heute in negativer Erinnerung.
Lindenfels im Zustand von 1634, mit der noch völlig intakten Burg und der daran anschließenden Stadtbefestigung - Zeichnung von Julius Naeher, 1891
Lindenfels im Jahre 1891. Die Burg ist nach über 10 Jahren der Ausschlachtung nur noch ein Schatten ihrer selbst - Zeichnung von Julius Naeher, 1891
Weitere Informationen zur Burg
Von einer Tafel an der Burg
Das heutige innerste Burgtor mit kurpfälzischem Wappenschild (Rauten) und den Vorrichtungen einer Zugbrücke war ursprünglich Portal des oberen Tores der Stadt Lindenfels das nach Abbruch seines Torbaues 1857 in der Burgruine verbaut wurde. Vom ursprünglichen innersten Tor der Burg wissen wir, dass es von zwei steinernen Löwen flankiert wurde. Einer der beiden Portallöwen ist erhalten und heute in der Stützmauer des Lindenfelser Kurhauses vermauert. Vor diesem innersten Tor der Burg befand sich ein archäologisch nachgewiesenes Torhaus. Im Rahmen der Freilegung des Burggeländes kamen in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts bis dahin unbekannte Mauerreste zutage, die archäologisch als Abortanlagen des romanischen Herrenhauses der Burg gedeutet wurden. Sie entstanden nacheinander in drei nicht exakt datierbaren Bauphasen des 12. Jahrhunderts. In die älteste Phase gehört das frei vor der Ringmauer stehende quadratische Fundament. Diese drei altertümlichen Abortanlagen sind funktionale Vorläufer der seit dem 13.Jahrhundert üblichen Aborterker. Die zehneckige innerste Ringmauer der Burg erreicht 12 m Höhe und ist im Norden bis zu vier Meter dick. Ihr Mauerwerk aus Syenit-Bruch-steinen mit sauber geglätteten Eckquadern ist bis auf modern restaurierte Stellen sehr einheitlich und verweist auf eine Erbauung im frühen 12. Jahrhundert. Diese weitgehend fensterlose Ringmauer wurde ursprünglich durch einen romanischen Wehrgang mit Zinnen abgeschlossen, der in der Zeit der Gotik überbaut bzw. aufgestockt wurde. Die Ringmauer entging dank ihrer Festigkeit dem 1781 eingeleiteten Abbruch der Burg.
Lindenfels um 1655 von Matthäus Merian: Der heute völlig verschwundene Berg- fried dominiert Burg und Stadt. Ganz rechts ist der „Eisengrün-Turm“ zu sehen, links daneben die Mantelmauer mit einem Fachwerkaufbau. Links der Kernburg erkennt man das ebenfalls mit einem Fachwerk-Geschoss überbaute untere Tor der Burg, dahinter der Eckturm des mittleren Zwingers.
Zur ältesten Bausubstanz der Ruine aus dem frühen 12. Jahrhundert gehört die Ringmauer, das fast völlig zerstörte älteste Herrenhaus rechts neben dem Eingang mit seinen Abortanlagen sowie der Kern der Burgkapelle. Dagegen ist das „Fürstenhaus“ genannte neuere Herrenhaus mit seinem markanten spitzen Giebel erst ein Werk des 14. oder 15. Jahrhunderts. Die übrigen Burggebäude, die sich rings um die Kernburg gruppierten, sind vollständig abgetragen, ihre Fundamente im Burghof markiert.
Die Burg Lindenfels wurde von insgesamt vier Mauerringen umgeben, von denen der dritte und vierte Mauerring im 14. und 15. Jahrhundert entstanden. Den abschüssigen Zwischenraum zwischen zweitem und drittem Mauerring nahmen Nebengebäude landwirtschaftlicher Funktion (Vorburg) ein, die vollständig verschwunden sind.
Die der steilen Südseite der Burg vorgelegten Mauern waren mit drei viereckigen Türmen bewehrt. Deren spitze Turmhelme und Obergeschosse sind längst abgetragen, nur die Untergeschosse blieben noch erhalten. Angesichts der Formen ihrer Schießscharten gehören sie in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts. Der „Eisengrün-Turm“ genannte Nordwestturm trägt diesen Namen nach einem Mann, der 1603 einen Anschlag auf Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz verübte und deshalb zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde. Die Person des Hans Eisengrün, dessen weiteres Schicksal nicht archivalisch überliefert ist, verbirgt sich vermutlich hinter der Sage vom vergessenen Gefangenen auf Burg Lindenfels, der nach langer Haft frei gelassen worden sei, aber entkräftet auf dem Weg in die Heimat starb.
Der zweite viereckige Turm flankiert ein „Schlierbacher Tor“ genanntes Nebentor der Burg, das die direkte Verbindung zu den kurfürstlichen Eigengütern in Schlierbach herstellte, die die Burg Lindenfels über Jahrhunderte hinweg mit Lebensmitteln versorgten.
Grundriss nach Nicolai Knauer, 2013